Thursday, May 23, 2013

"Drosselkom" - All your IP networks are belong to us

Seid Wochen entrüstet sich die Internet-Szene über die Pläne der Telekom, zukünftig Flatrates mit einer Volumenbegrenzung anzubieten. Nachdem es zunächst als Ungerechtigkeit dargestellt wurde, dass man für einen schnellen Anschluß bezahlt, den dann aber nicht voll auslasten können soll, und die Telekom erklärt hat, dass es für Vielnutzer eine kostenpflichtige Upgrade-Möglichkeit geben wird, konzentriert sich der Protest nun auf die durch die Telekom bedrohte "Netzneutralität". Stein des Anstosses ist, dass die Netzbetreiber durch technische Massnahmen Daten mit unterschiedlicher Priorität behandeln können und wollen. Das sei, so wird erklärt, eine Verletzung der "Netzneutralität", die von den Protestiernden quasi als gegebenes Recht angenommen wird.

Unabhängig davon, dass die Proteste nun eigentlich mit der ursprünglichen Geschichte nicht mehr so besonders viel zu tun haben, lohnt es sich doch, die Angelegenheit mal sachlich zu durchleuchten:

Warum will die Telekom ein gemanagtes Netz?

Für die "Netzgemeinde" ist das Internet ihr eigener, unregulierter Raum: Eine Sphäre, in der man beliebige Datenpakete zwischen Servern austauschen kann. Das kann auch mal nicht so gut funktionieren, dann dauert das Laden einer Webseite eben lange oder es ruckelt im Video oder der Ping ist schlecht, so dass man im Spiel ständig abgeschlachtet wird, aber so ist das Internet eben. Funktioniert meistens, und wenn es nicht funktioniert, dann ärgert man sich eben ein bisschen und guckt ein bisschen fern oder spielt lokal.

Für die Carrier ist die Infrastruktur, auf der auch dieses Internet läuft, in der Zukunft aber wesentlich mehr: Traditionell haben die Netzbetreiber über dem Internet, für uns Benutzer unsichtbar, das eigentliche Carrier-Netz betrieben. Dieses Netz basiert nicht auf der IP-Protokollwelt, sondern auf den ITU-Standards, die aus dem Telefonnetz hervorgegangen sind. Die Carrier-Netze waren die Basis für die Telefon- und sonstigen Datendienste, die man neben dem Internet "früher" verwendet hat. Nun ist es aber zunehmend so, dass es kaum noch Dienste gibt, die nicht auf der IP-Protokollfamilie basieren, und die Infrastruktur für IP-Protokollwelt aufgrund der massenhaften Verbeitung des Internet wesentlich preiswerter als klassische Carrier-Netztechnologie ist. Die alten Carrier bekommen das natürlich zu spüren, denn sie muss noch die alte, teure Technik unterhalten, während IP-only-Anbieter das komplett nachgefragte Spektrum von Netzwerkdienstleistungen preiswerter anbieten können.

Um marktfähig zu bleiben, stellen die großen Traditionscarrier nun also Ihre Infrastruktur komplett auf IP um. Das heisst auch, dass höherwertige Dienste - wie beispielsweise virtuelle Standleitungen mit fester Bitrate und Latenz - nicht mehr im Overlay-Carriernetz realisiert werden, sondern innerhalb der allumfassenden IP-Infrastruktur, in der auch das normale Internet angeboten wird. Es macht einfach Sinn, das so zu tun, und dazu braucht man eben ein gemanagtes Netz, in dem sich unterschiedliche Verkehrsklassen realisieren lassen, und darin unterscheidet sich ein Carrier-Grade-IP-Netz vom "Internet". Im Internet nämlich, dessen Freiheit derzeit verteidigt wird, werden traditionell alle Daten als Best-Effort-Verkehr gleich behandelt. Es macht im Internet keinen Unterschied, ob ein Datenpaket einen Teil einer Website oder ein Stück Ton aus einem Telefonat enthält. Wenn es zu Engpässen kommt, dann wird das Netz für alle Verkehrsarten langsamer. Beim Laden einer Website muss man länger warten, bei einem IP-Telefonat versteht man seinen Gesprächspartner nicht oder die Latenz wird größer.

Wenn nun also behauptet wird, dass so ein gemanagtes Netz der Netzneutralität entgegen steht und nach Regulierungen gerufen wird, dann stellt sich die Frage, welches Ziel damit verfolgt werden soll. Sollen die Carrier keine höherwertigen Dienste anbieten dürfen? Sollen sie gezwungen werden, höherwertige Dienste nur auf Leitungen anzubieten, die nicht auch best-Effort-Verkehr transportieren? Wozu soll das denn eigentlich gut sein?

Mir kommt es so vor, als sei die Diskussion im wesentlichen durch Unkenntnis und den Unwillen geprägt, sich mit der Technik und den Skalierungsnotwendigkeiten auseinanderzusetzen. Es soll alles immer schneller werden und fast nichts kosten, und wenn es denn was kostet, dann soll es doch die Allgemeinheit bezahlen. Wenn dieses Thema jetzt im Bundestag diskutiert werden sollte, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass dabei irgendwas Sinnvolles herauskommt. Wenn schon die elitäre Netzgemeinde nicht versteht, wie Datennetze funktionieren, und auf einem Niveau von "Bei mir kommt das Netz aus der Telefondose" argumentiert, wie sollen denn dann die Internet-Ausdrucker aus dem Bundestag einen sinvollen Beitrag leisten?

Liebe Netzgemeinde, fordert doch bitte mal was Präzises, technisch Realisierbares, und nicht von technischen Dienstleistern, dass sie Euch bitte für 30 Euro im Monat die Illusion von "Freiheit" erzeugen sollen. Damit überfordert Ihr sie. Für die meisten Menschen ist die Diskussion ohnehin unverständlich, da sie überall und immer und billig Netz haben und das auch so bleiben wird.

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